Verzaubert

*

Ein wunderschöner Spätsommermorgen,

die Luft ist noch feucht, Tau auf den Gräsern -

manchmal muß man sich doch die Zeit borgen,

um fünf zu geh´n an ein Waldgewässer.

Leise ziehen grau die Nebelschwaden,

quer durch den Wald und über den Weiher -

ein Schwarzspecht klopft in dem Baum nach Maden,

im See stolziert ein großer Graureiher.

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Rosa erschimmern die Sonnenstrahlen,

über die  Baumwipfeln und durch Stämme -

Schwäne mit ihrem Gefieder prahlen,

dicht dabei schwimmt eine Perlhuhnhenne.

Ein Froschkonzert wird nicht mehr geboten,

doch täuscht mein Sinn mir ein solches wohl vor -

die Jahreszeit hat es schlicht verboten,

mein Ohr vernimmt jetzt einen Hummelchor.

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Wie kleine Wattebäuschen sie fliegen,

mit viel Gebrumm lassen sie sich nieder -

um sich dann sanft hin und her zu wiegen,

auf den Goldrauten und ihrem Flieder.

Eine Hummel setzt sich auf meinen Arm,

ihr Hinterleib pumpt nun auf und nieder -

mein Finger streichelt sie sachte und warm,

dann fliegt sie zu ihren Brüdern wieder.

*

In Ufernähe ein lautes Platschen,

da wirbelt flink ein kleiner Seeotter -

für seine Größe kann er laut klatschen,

dort auf dem Stein liegt eine Schwarznatter!

Tiefschwarz ist sie, ihr goldenes Krönchen,

schimmert und gleist im hellen Sonnenlicht -

ich gehe zu ihr, die Augen wie Böhnchen,

erkennen mich als Gefahr doch wohl nicht.

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Wie sie da liegt so schutzlos und kläglich,

wird mir mein Herz doch auf einmal sehr warm -

vorsichtig heb´ich sie auf und zärtlich,

berge ich sie in meinem warmen Arm.

Ihre Schuppen sich leise wohl reiben,

und hell schillern wie ein Regenbogen -

mit ihr werd´ ich eine Weile bleiben,

und still zusehen dem Wasserwogen.

*

Eine halbe Stunde ist vergangen,

ich sitz´ und streichle sie selbstvergessen -

da kommt dieser Reiher angegangen,

und schaut ganz starr, als wollt´er sie fressen.

Da pfeife ich laut, worauf er schnell flieht,

die Schwarznatter regt sich durch die Spende -

der Wärme des Armes, ihr Köpfchen sieht;

auf, und ihre Augen sprechen Bände.

*

Ganz langsam beginnt sie sich zu winden,

 kriecht am Arm zu den Schultern hinauf -

dort läßt sie sich noch einmal hinsinken,

liegt wie eine kostbare Stola darauf.

Sie kriecht gegenüber schnell  hinunter,

verschwindet nun leise raschelnd im Rohr -

auch ich wache auf und werde munter,

und hab´ das Froschkonzert erneut  im Ohr.

*

             (Elisabeth Rosing)